LOOKOUT FARM

Echos aus Zukunft und Geschichte

Neulich haben zwei prägende Geister des modernen Jazz ein wirklich erstaunliches Jubiläum feiern können – David Liebman, der New Yorker Saxophonist vom Jahrgang 1946, und Richie Beirach, ein Jahr jünger und einer der kreativsten Köpfe des modernen Jazz-Klaviers, der wie Liebman aus New York kam und im späteren Leben sehr lange in Köln zu Hause war, hatten einander vor tatsächlich 50 Jahren, 1969 also, kennen und schätzen gelernt für die gemeinsame Arbeit...

ALBERT COLLINS

Feuer im Eis
oder
Welcome back from Heaven!

Wer wohl wann auf die Idee verfiel, den texanischen Blues-Musiker Albert Collins mit lauter Markenzeichen aus Eis auszustatten: ihn selber als „The Iceman“ zu titulieren und eine der zentralen Produktionen vom Ende der 70er Jahre mit „Ice picking“ zu überschreiben. Schon die Musik des jungen Collins, 1932 in Leona/Texas geboren, wurde ja als besonders „cool“ gerühmt; und die Band, mit der Albert Collins da am 1. Dezember 1980 in „Onkel Pö’s Carnegie Hall“...

DIZZY GILLESPIE

Vote Dizzy!

Angesichts der jüngsten Entwicklungen auf dem amerikanischen Präsidentenmarkt darf daran sicher mal erinnert werden – auch dieser komische Vogel, auch John Birks Gillespie aus Cheraw im US-Bundesstaat South Carolina, geboren im Oktober 1917, seit Beginn der Profi-Karriere „Dizzy“ genannt und damit grundsätzlich für ein bisschen verrückt erklärt, wollte mal Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden. Im Ernst?

WOODY SHAW QUINTET

Woody is missing!


Und dies ist die nächste mitreißende Erinnerung an einen Musiker, den die Jazz-Welt nicht vergessen darf – obwohl er schon 1989 gestorben ist, gerade mal 44 Jahre alt. Nach der Veröffentlichung des Konzertes, das das Quintett des Trompeters Woody Shaw 1982 gab in „Onkel Pö’s Carnegie Hall“ in Hamburg, wird für diese CD hier die Uhr nun um drei Jahre zurück gedreht.

FREDDIE HUBBARD

Das Spiegelbild

Als Freddie Hubbard nach Hamburg kommt und auf das Nudelbrett von Bühne klettert in „Onkel Pö’s Carnegie Hall“, steht er vermutlich so prominent wie selten zuvor oder danach mitten im Zentrum der Jazz-Entwicklung – mit Herbie Hancock und Wayne Shorter, Ron Carter und Tony Williams hat der Trompeter drei Jahre zuvor das Quintett „V.S.O.P.“ formiert; und da die vier anderen ehedem das legendäre zweite Quintett um Miles Davis gebildet hatten, stand Freddie Hubbard jetzt quasi in dessen direkter Nachfolge.

LOUISIANA RED

Nicht, dass Hannover plötzlich eine der weltweit wichtigsten Blues-Metropolen geworden wäre – aber erstaunlicherweise ließen sich seit Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts gleich zwei sehr spezielle Meister dieser Musik ausgerechnet hier nieder. Noch vor Louisiana Red, bürgerlich Iverson Minter und 1932 in Bessemer/Alabama geboren, war 1976 schon Jack Dupree hierher gezogen, der „Champion“ (weil er mal geboxt hatte – böse Zungen sagen: etwa so wie er später Klavier spielte; aber auch das stimmt nicht).

LOUIS HAYES / JUNIOR COOK

 Als er selber 80 Jahre alt wird, erinnert der Schlagzeuger Louis Hayes noch einmal, und aus übervollem Herzen, an jenen Meister des Jazz, dem er selber so vieles verdankt: an den Pianisten und Komponisten, den Stil-Bildner vor allem und Band-Leader Horace Silver. Der ist da schon seit drei Jahren tot und verbrachte die letzten Jahre zuvor in schwerer Krankheit – etwa sechs Jahrzehnte zuvor aber hatte dieser Horace Silver, damals selber gerade erst Art Blakeys „Jazz Messengers“-Schule entwachsen und mit eigener Band am Start ..

ELVIN JONES

Anhörungsunterricht

Eine Emanzipation der besonderen Art steht immer mit auf dem Programm, wenn das Ensemble eines Schlagzeugers die Konzertbühne erobert. Denn zwar hatte sich immer mal wieder ein Vertreter der ursprünglichsten aller musikalischen Spielarten durchgesetzt auch als Leiter eines Orchesters, wie etwa Ella Fitzgeralds legendärer Entdecker und Förderer Chick Webb – aber bevor nicht die Studio- und Aufnahme-Technik größere Fortschritte machte bei der Reproduktion von Musik und also auch Feinabstimmung möglich wurde im Instrumentarium des Trommlers, blieb die zentrale Rolle des Rhythmikers eingeschränkt.

ESTHER PHILLIPS

Geister beschwören

Die Stimme dieser Sängerin klingt wie aus anderen Welten herüber. Vielleicht aus irgendeinem Urwald … mit dem Aufnahmegerät pirscht Esther Phillips darin umher und sammelt Sounds. Und jeden, den sie findet, probiert sie auch selber aus – das Knurren und Schnurren von großen und kleinen Wildkatzen, das Sirren und Zirpen und Kreischen vieler Vögel hoch oben in den Wipfeln, das dunkel pulsierende Atmen des Raubtiers hinter der nächsten Wegbiegung.

JOHNNY GRIFFIN

Vom „Immer mehr“ des Jazz

Eins der faszinierendsten Kapitel der Jazz-Geschichte haben die „Americans in Europe“ geschrieben – Jazz-Meisterinnen und -Meister aus dem Mutterland dieser Musik, die sich aus unterschiedlichsten Gründen nicht wohl fühlen konnten im Vaterland USA; meistens, weil es nicht genug Arbeitsmöglichkeiten gab für sie und noch weniger Anerkennung. Der latente Rassismus daheim kam hinzu, und einige protestierten flüchtend auch gegen die Selbstüberhebung der Weltpolizei-Nation, die immer wieder kriegerische Dimensionen annahm.

JOHNNY GUITAR WATSON

Johnny Guitar Watson
Wer heute noch ein wenig neues Flair vom alten „Onkel Pö“ in Hamburg abbekommen will, muss sich mit Harriet Maué treffen. Und zwar möglichst dort, wo ihr Stammplatz war in alten Zeiten – auf der rechten Seite etwa mittig, mit schräger Perspektive auf die Bühne in der Tiefe des Raumes (wo heute die Küche des nullachtfuffzehn-chicen Ketten-Restaurants ist), war die Bar untergebracht in „Onkel Pö’s Carnegie Hall“; hier hat Harriet ausgeschänkt, und für viele muss dieser Ort eine Art mystisches „Zuhause“ gewesen sein...

TIMELESS ALLSTARS

Das war natürlich zunächst mal ganz wörtlich gemeint - zeitlos, „timeless“ also, sollte die Musik dieses Ensembles sein, immer wieder wiederhörenswert unabhängig von den jeweiligen Moden des Augenblicks. Sie alle, die sich unter diesem Label versammelten, hatten in unterschiedlichsten Bands über Jahre und Jahrzehnte hin bewiesen, dass sie genau diesen „main-stream“-Sound des Jazz beherrschen: der Saxophonist Harold Land...

WOODY SHAW

Erben lernen

Schon dass mit dieser Veröffentlichung erinnert werden kann an einen so besonderen und außergewöhnlichen Musiker, ist ein Ereignis für sich und Freude pur – denn natürlich ist Woody Shaw nach dem viel zu frühen und extrem tragischen Tod im Mai 1989 für viel zu viele verschwunden vom persönlichen Jazz-Horizont. Zu Unrecht, natürlich – Shaw markiert eine Position in der jüngeren Geschichte der Jazz-Trompete, die kaum je zuvor und selten danach so klar, so präzise, so kraftvoll beschrieben worden ist...

CHET BAKER

Chet Baker
An diesem Abend war ich wohl wirklich dabei … wenn auch natürlich viel zu jung, um auch nur erahnen zu können, was da geschah. Aber es war mir gelungen, den tendenziell dem Jazz aufgeschlossenen Musik-Redakteur im Feuilleton der Heimatzeitung zu überreden, mich für’s Blatt von Chet Baker erzählen zu lassen. Dessen Legende war allseits präsent – seit Beginn der Karriere, nach den Anfängen mit Charlie Parker und erst recht beim Senkrechtstart im unvergleichlichen Quartett um dem Bariton-Saxophonisten Gerry Mulligan...

JAMES BOOKER

Ob wohl damals, am 27. Oktober 1976, dessen musikalische Ereignisse hier akustisch dokumentiert sind, die lokale Krawall-Journaille auch einen Sensationsreporter entsandt haben mag in „Onkel Pö’s Carnegie Hall“ – auf dass der mit gespitztem Stift notieren werde, wie sich der Mann aus New Orleans diesmal wieder daneben benimmt? James Carroll Booker III, 35 Jahre alt zur Zeit dieses Hamburg-Besuches, hatte ja immerhin schon einen (aus bürgerlichem Kultur-Blickwinkel) repräsentativ und beispielhaft miesen Ruf zu verteidigen ...