Leopard N 77055 (CD) /N 78055 (LP)
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Beschreibung
Ricky Peterson war noch ein junges Phänomen aus Minneapolis als wir uns vor 35 Jahren kennengelernt haben. Er stammte aus einer Musikszene, die sowohl Prince als auch dem Saxophonisten Irv Williams – einem guten Freund von Lester Young (Lester hat auch einige Zeit in Minneapolis verbracht) – eine Heimat bot. Auf eine gewisse Weise war dies typisch für diese Stadt, die gerade noch klein genug war, dass sich alle Musiker untereinander kannten, aber andererseits schon groß genug war, um einen hohen – einen sehr hohen – musikalischen Standard zu gewährleisten.
Ricky kommt aus einer Familie von Elitemusikern: Seine Eltern waren beide begabte Pianisten und seine Geschwister sind als Spitzenmusiker und Sänger aktiv. Kurz nach unserem ersten Zusammentreffen hatte ich ein Gespräch mit David Sanborn, der damals gerade auf der Suche nach einem Keyboarder war, und ich empfahl ihm Rick. Der Rest ist Musikgeschichte: Ricky verbrachte mehrere Jahrzehnte mit David auf Tournee, nahm Platten auf und etablierte sich als einer der aufregendsten neuen Keyboarder der zeitgenössischen Jazzszene.
In den frühen Neunzigerjahren war Ricky auch für einige Jahre staff producer bei Paisley Park, wo er für Prince arbeitete. Ricky ist der einzige Musiker, der jemals diese anspruchsvolle Position bekleidet hat. In dieser Zeit hat er auch den internationalen Bestseller "Most Beautiful Girl In The World" für die Legende aus Minneapolis produziert. Parallel dazu arbeitete er aber auch mit anderern Künstlern zusammen, beispielweise mit George Benson, Phil Upchurch oder Anita Baker. Ricky verbrachte seine Zeit damals abwechselnd im Aufnahmestudio und auf Tour. Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass er viel zu tun hatte. Als Prince in bat mit ihm auf Tournee zu gehen, musste Ricky ablehnen.
Und als Miles Davis anrief, lehnte er überraschend auch dessen Angebot ab. Miles hatte Ricky über Vermittlung des Produzenten Tommy LiPuma, der das Tutu Projekt von Miles organisierte, spielen gehört. Miles war vom einzigartigen Umgang des jungen Mannes mit den Akkorden und seinem feurigen Rhythmus angetan, aber Ricky war mit den Aufgaben als Producer und den Tourneen so eingespannt, dass er das Angebot respektvoll ablehnen musste.
Ricky hat am Keyboard schon immer einen sehr orchestralen Ansatz verfolgt und sein rhythmisches Konzept wird von seinem schelmischen Humor beeinflusst; auch Bob Mintzer ist ein Meister der Rhythmen, sowohl in seinen Improvisationen als auch in seinen Instrumentalisierungen. Bob ist einer der wenigen zeitgenössischen Big Band-Arrangeure, die sowohl das Funk-Konzept von Ricky verstehen und bereichern können – besonders deutlich ist dies im Stück "Sexy MF" von Prince zu hören – als auch Ricky an die Welt der klassischen Jazzorchestration heranzuführen vermögen: "I Got News For You", Bobs Hommage an Quincy Jones und Ray Charles, wird Ricky wohl für immer in Erinnerung bleiben.
Vor kurzem wurde Bob zum Chefdirigenten der WDR Big Band in Köln ernannt und es war eine glückliche Fügung des Schicksals, dass er mit Ricky in Kontakt kam. Nur wenige Jazzmusiker bringen einen so reichen Erfahrungsschatz und eine so große Liebe für zeitgenössischen Jazz und Unterhaltungsmusik mit wie Bob. Rickys Verständnis von Jazz baut auf Elementen der "Fusion"-Tradition und des Rhythm & Blues auf; er ist aber auch ein Fan zahlreicher Pop-Gruppen, wie beispielsweise ELP oder Toto. Auch Bob war ein wichtiges Mitglied einer "Crossover"-Gruppe, den Yellowjackets. Und während er mit klassischen Jazzmusikern wie Art Blakey oder Gil Evans zusammenarbeitete, stand er auch mit Popmusikern wie James Taylor, Steve Winwood oder Donald Fagan – allesamt musikalische Helden von Ricky – im Aufnahmestudio.
Die WDR Big Band ist über die Jahre auch zu einer Jazzinstitution geworden. Die in den 1980er Jahren als Orchester einer großen deutschen Rundfunkanstalt – des Westdeutschen Rundfunks in Köln – gegründete WDR Big Band, hat über die Jahre Aufnahmen mit vielen Größen des Jazz verwirklicht, beispielsweise mit Michael & Randy Brecker, Joe Zawinul und John Scofield. Einige der Alben der WDR Big Band wurden mit Grammy-Preisen ausgezeichnet und das Orchester selbst ist weltweit aufgetreten. Einen Platz am Podium dieses Traditionsorchesters einzunehmen ist nicht nur eine Ehre für jeden Jazzmusiker, sondern auch die Chance einige der besten Musiker kennenzulernen und mit ihnen Musik zu machen, wie den Saxophonisten Johan Hoerlen, Karolina Strassmayer und Paul Heller, dem Posaunisten Shannon Barnett, dem Trompeter Andy Haderer oder dem Gitarristen Bruno Mueller, die alle wunderbare Solomomente zum hier vorliegenden Album beitragen.
Ricky hat für diese Aufnahme seine Rhythmusgruppe aus den Vereinigten Staaten mitgebracht – mit Gene Lake am Schlagzeug und seinem Bruder Paul Peterson am Bass. Die Verbindung all dieser musikalischen Elemente – den großartigen Solisten, dem orchestralen Genie eines Bob Mintzer, der soliden Tradition des WDR Klangkörpers, sowie der amerikanischen Rhythmusabteilung – bringen in perfekter Weise die kühne Performance von Ricky Peterson voll zur Geltung.
In der Jazztradition geht es um Originalität und Eigenwilligkeit – originelle Kompositionen, originelle Stimmen, originelle Herangehensweisen; mit seinem WDR Debüt hat sich Ricky Peterson als Fixstern am Jazzhimmel etabliert. Möge sein Licht noch viele Jahre strahlen.
Ben Sidran, 2018